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Patienten mit Dialekt richtig verstehen

Spezielle Sprachschulung im Erika-Zürcher-Haus

Meißenheim (ulb). „Mir duet’s Fiedli weh“ – dieser Beispielsatz aus der alemannischen Wortschatzkiste kann die Teilnehmer des Modellprojekts Sprachförderung nun nicht mehr ins Schwitzen bringen. In fröhlicher Runde haben sie zusammen mit ihren Lehrkräften Ewald Hall, Jan-Philipp Holzapfel, Astrid Nothen und Ina Pfau im Erika-Zürcher-Haus den Abschluss ihres Kurses gefeiert.

Denn von April bis Oktober haben die in den Einrichtungen des Arbeiter Samariter Bundes (ASB) tätigen Fachkräfte mit Migrationshintergrund nicht nur Vokabular aus dem Bereich Demenz gepaukt, Wichtiges über interkulturelle Kommunikation erfahren, oder sperrige Wort-Ungetüme wie Pfefferminztee verständlich auszusprechen gelernt, sondern sich auch eingehend mit dem örtlichen Dialekt beschäftigt.

Es ist in der Tat ein lange unbemerkt gebliebenes Problem: In den meisten Einrichtungen für Senioren arbeiten mittlerweile Pflegekräfte aus aller Herren Länder, die zwar oft Integrationskurse besucht und so die Basiskenntnisse der deutschen Sprache erworben haben. Aber wie soll eine Mitarbeiterin aus Thailand, Togo oder Ungarn wissen, wo der badische Fuß aufhört, was mit dem Buckel gemeint ist oder was der Patient meint, wenn er sagt: „Selli dert nit!“.

Im Sozialministerium Baden- Württemberg wurde man 2019 auf diese Situation aufmerksam und veranlasste eine Ausschreibung zum „Modellprojekt Sprachförderung in der Pflege“. Im Juli 2020 hatte der Leiter der ASB-Einrichtung in Biberach „auf die Schnelle etwas geschrieben“. Umso größer die Überraschung, als Anfang 2021 die Zusage vorlag, dass die Einrichtungen des ASB Biberach, Ettenheim, Gernsbach und Meißenheim an drei Standorten geförderte Kurse anbieten dürfen. Drei Unterrichtseinheiten wurden pro Woche erteilt, von einem festen Dozenten sowie Gastdozenten für Dialekt, Phonetik, Demenz und interkulturelle Kommunikation. Auf Nachfrage informierte Heimleiterin Susanne Edinger vom Erika-Zürcher-Haus, dass die Kosten für Dozenten, Material und Fahrtkosten durch die Förderung des Sozialministeriums abgedeckt waren, während die Einrichtungen ihren Beitrag dadurch geleistet haben, dass die Unterrichtszeit als Arbeitszeit gerechnet wurde.

Bisschen wie Heimat

Dass der Kurs den Teilnehmern ebenso großen Spaß gemacht hat wie auch den Lehrkräften, war deutlich zu sehen: Entspannt lachend wurde in Erinnerungen geschwelgt, sich geneckt, wurden Scherze gemacht. Das i-Tüpfelchen auf der Abschlussfeier war der von Dialektforscher Ewald Hall vorbereitete „Schnellkurs Alemannisch für deutsche Pflegekräfte“, bei dem die einheimischen Beschäftigten zeigen mussten, was sie denn in punkto Dialekt draufhaben – oder auch nicht.

Das Ziel, die sprachliche Kompetenz über den in herkömmlichen Deutschkursen gelehrten Bereich hinaus zu erweitern, wurde voll erreicht. „Wenn Sie die Menschen besser verstehen, dann bringt das auch für Sie ein bisschen etwas wie Heimat“, schloss Hall den offiziellen Teil und folgte dem Ruf von ASB-Leiter Harter ans Büfett: „Jetz isch Party-Time.“

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